Die Unternehmensgründung ist ein aufregendes, aber auch anspruchsvolles Unterfangen, vor allem wenn es darum geht, die laufende Finanzierung nachhaltig zu sichern. Die meisten Existenzgründer greifen auf Venture Capital als Hauptfinanzierung zurück, aber es lohnt sich, auch andere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen.
Obwohl Venture Capital, oder eingedeutscht auch Risikokapital, für viele Unternehmer die einzige Möglichkeit zu sein scheint, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass es auch andere gute Wege gibt. Als Gründerin von Contentserv, einem erfolgreichen globalen Softwareunternehmen, das ich mit Hilfe von Bootstrapping auf 400 Mitarbeiter in 13 Ländern gebracht habe, kann ich aus meiner eigenen Erfahrung sagen, dass es alternative Wege zur Unternehmensfinanzierung gibt, die genauso effektiv, wenn nicht sogar noch effektiver sein können als Venture Capital.
Risikokapital ist richtig, wenn…
Venture Capital (VC) kann eine ideale Finanzierungsmöglichkeit für Start-ups sein. Es ist aber entscheidend, die Vor- und Nachteile abzuwägen, bevor man entscheidet, ob es die richtige Option für das eigene Unternehmen ist. Hier sind einige Vor- und Nachteile, die es zu beachten gilt:
Vorteile von Risikokapital:
- Zugang zu Finanzmitteln: Risikokapital kann Start-ups größere finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, mit denen sie ihr Unternehmen schnell ausbauen können.
- Erfahrene Investoren: Bei Wagniskapitalgebern handelt es sich in der Regel um erfahrene Investoren, die bei der Suche nach erfolgversprechenden Start-ups und deren Wachstum nachweislich erfolgreich waren. Sie bringen meist wertvolles Fachwissen, Mentorenschaft und Connections mit.
- Bekanntheit: VC-Firmen verfügen oft über ein umfangreiches Netzwerk von Kontakten in deren Geschäftswelt. Das kann dazu beitragen, das Profil eines Unternehmens zu schärfen und einfacher potenzielle Partner, Kunden und Mitarbeiter zu gewinnen.
- Keine Rückzahlung erforderlich: Im Gegensatz zu Darlehen müssen VC-Einlagen nicht zurückgezahlt werden. Stattdessen erhalten die Investoren einen Anteil am Eigenkapital des Unternehmens, was bei entsprechendem Erfolg des Unternehmens zu erheblichen Gewinnen führen wird.
Nachteile von Venture Capital:
- Verlust der Kontrolle/Loss of control: Wenn ein Start-up sich für Venture Capital entscheidet, gibt es im Gegenzug für die Finanzierung einen großen Teil seiner Eigentumsrechte ab. In den meisten Fällen führt dies zu einem Verlust der Kontrolle bzgl. der Ausrichtung des Unternehmens.
- Leistungsdruck: Risikokapitalgeber suchen nach einer Rendite für ihre Investitionen und erwarten von ihren Unternehmen ein entsprechendes Maß an Wachstum. Dies setzt Start-ups unter Druck, kurzfristigen Gewinnen Vorrang vor der langfristigen Rentabilität zu geben.
- Hohe Erwartungen: VC-Firmen erwarten hohe Renditen für ihre Investitionen und setzen Startups unter Druck, schnelles Wachstum auf Kosten anderer wichtiger Ziele wie soziale Verantwortung oder Nachhaltigkeit zu verfolgen.
- Verwässerung/Dilution: Je mehr Investoren ins Boot geholt werden, desto mehr die Cap Table verwässert. Dies macht es für die Gründer schwieriger, zukünftige Finanzierungen zu sichern oder günstige Konditionen auszuhandeln.
Risikokapital kann für Start-ups eine sehr gute Finanzierungsform sein. Dennoch ist es ist entscheidend, die möglichen Nachteile sorgfältig abzuwägen. Letztlich muss jeder Unternehmer seine eigenen Bedürfnisse, Ziele und Prioritäten bewerten, um zu entscheiden, ob Venture Capital der richtige Weg für das eigene Unternehmen ist.
In meinem Fall mit Contentserv war es das nicht und darüber bin ich im Nachhinein froh, hier keinen Standardweg gegangen zu sein. Damit war ich auf jeden Fall deutlich erfolgreicher.
Von der Finanzierung, der Strategie, klugen Entscheidungen und einem guten Mentoren-Netzwerk
Viele Gründer fühlen sich entmutigt, wenn es ihnen nicht gelingt, eine Finanzierung durch einen Venture-Capital-Geber zu bekommen. Hier hilft die Erkenntnis, dass eine Risikokapitalfinanzierung zwar finanzielle Unterstützung schnell bringt, aber nicht immer die vorteilhafteste und nachhaltigste Option ist. Es ist daher entscheidend, die möglichen Vor- und Nachteile einer VC-Finanzierung sorgfältig abzuwägen, bevor man sich entscheidet. Denn einen Weg zurück gibt es kaum noch.
Ich selbst habe mich für einen anderen Weg entschieden, weil für mich die Selbständigkeit bei der Unternehmensführung am wichtigsten war. Durch diesen vielleicht härteren, und definitiv „lonely“ Weg war ich auf mich gestellt und „durfte“ mir wertvolle Fähigkeiten und Fachkenntnisse aneignen, die ich heute sehr zu schätzen weiß. Auf diese Weise wurde mein strategisches Denken extrem geschult. Jeden Tag erneut durfte ich für mich alleine fundierte Entscheidungen treffen und wertvolle Erfahrung als Unternehmerin sammeln, die ich nicht missen möchte.
Mein persönlicher Weg der Wachstumsfinanzierung
“There’s no need to burn money if you know how to make it.”
Als Alexander Wörl, mein Co-Founder und ich Contentserv gründeten, hatten wir kein Kapital. Ich war Studentin und 20 Jahre alt. Aber wir hatten eine starke Vision und glaubten an unser Produkt. Anstatt Venture Capital monatelang zu suchen, habe ich das Unternehmen selbst finanziert und mich in der Zeit lieber auf die Kunden konzentriert. Ich machte mein Hobby, alte verwahrloste Häuser schön herzurichten und dann zu vermieten, zunutze. Sobald die Häuser wieder gut dastanden, hinterlegte ich diese als Sicherheiten, um Bankkredite zu erhalten, mit denen ich dann das Wachstum von Contentserv wiederum finanzieren konnte. Dank meines Bauhobbies konnte ich die Firma aus eigenen Mitteln hochziehen und die Kontrolle über das Unternehmen bis auf eine Größe von 400 Mitarbeitern und 13 Ländern behalten – Japan bis USA. Dank des andauernden Bauens und der damit steigenden Bankkredite konnten wir weiterwachsen und gedeihen.
(Lesen Sie hier mehr zu meiner Contentserv Zeit).
Beim Scale-Up eines Unternehmens ist aber nicht nur die Finanzierung entscheidend. Um wirklich erfolgreich zu sein, muss ein hervorragendes Team zusammengestellt werden, das Gründer bei der Entwicklung der Software und der Vermarktung des Produkts unterstützt. Wir haben auch stets darauf geachtet, die Bedürfnisse unserer Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Im Gegenzug haben sie uns geholfen, indem sie unsere Produkte und Dienstleistungen zu schätzen wussten und wir damit mit unseren Kunden und deren Bedürfnisse wuchsen. Denn es gibt nur eine Wahrheit für Unternehmen: der Markt und die Kunden. Alle Kraft auf Kunden zu lenken, ist sicherlich eine gut angelegte Strategie und zahlt sich schnell aus. Unternehmer:innnen die aus eigener Kraft wachsen dank ihrer Kunden, klagen auch in der Regel nicht über eine Burn-Rate.
Ich habe bewusst Contentserv selbst finanziert weil mir die volle Kontrolle über mein Unternehmen viel Wert war. Obwohl die Nachfrage nach unserem Produkt sehr groß war und ich wahrscheinlich gut eine VC/PE-Finanzierung hätte erhalten können, wollte ich keine Investoren ins Unternehmen lassen. Beim Aufbau von Contentserv ging es mir nicht nur darum, Geld zu verdienen; ich bin fest der Meinung, dass es bei der Gründung eines Unternehmens eine tiefere Motivation als nur den finanziellen Gewinn geben muss. In der Realität bedeutet der Aufbau eines Unternehmens über viele Jahre, mehr Geld zu verlieren als zu verdienen. Ein Exit darf kein Selbstzweck sein, sondern kommt in der Regel erst, wenn das Unternehmen so gut läuft, dass man es nicht mehr verkaufen möchte. Dann hat man es geschafft!
Angel-Investor und Beirätin
Als Unternehmerin ist es sehr wichtig, jemanden zu haben, der an die eigene Vision glaubt. Das kann jemand sein, der wertvolle Ratschläge gibt, viel Expertise und gutes Netzwerk besitzt und wenn man sehr viel Glück hat, auch noch über die finanziellen Mittel, um Sie bei der Gründung und dem operativen Betrieb Ihres Unternehmens zu unterstützen. Da ich selbst Gründerin und CEO seit mehr als 20 Jahre bin, kann ich mich gut in andere Unternehmer:innen und Manager:innen hineinversetzen. Deshalb bin ich Angel-Investor und Beirätin und nutze meine Erfahrung, um anderen zu helfen, ihre unternehmerischen Ziele zu erreichen. Wenn Unternehmen mit meiner Hilfe und meiner Expertise schneller vorankommen, so motiviert mich das sehr.
Lesen Sie dazu mehr: Einblicke in mein Leben als Beiratsmitglied
Neben VC gibt es mindestens 15 weitere Unternehmensfinanzierungen
Ich wünsche mir, dass Unternehmer die richtige Finanzierung für ihre Vorhaben finden. Es ist wichtig, neben Risikokapital auch andere Finanzierungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen und zu prüfen. Um Start-Ups dabei zu helfen, herauszufinden, welche Art von Finanzierung diese benötigen, habe ich mal ein paar interessante Finanzierungsformen ausgewählt. Ihre Finanzierung sollten sie sehr sorgfältig abwägen, da jede Form unterschiedliche Vorteile und Risiken hat:
- Angel-Investoren: Hierbei handelt es sich in der Regel um erfolgreiche Einzelpersonen, die Start-ups mit ihrer Zeit, Ressourcen, einem Netzwerk und persönlichen Mitteln (in der Regel nicht mehr als 20.000 USD) im Austausch gegen Eigenkapital oder Convertible Debts unterstützen.
- Crowdfunding: Hier wird die Finanzierung über eine große Anzahl von meist Privatpersonen bereitgestellt, in der Regel über eine Online-Plattform. Crowdfunding ist meist sehr zeitintensiv und erfordert eine Vorbereitungszeit von mindestens 3 Monaten, durch die Masse können hier aber auch höhere Summen zusammengesammelt werden.
- Darlehen der Small Business Administration (SBA): Hierbei handelt es sich um staatlich geförderte Darlehen für kleine Unternehmen, die in der Regel leichter zu erhalten sind als herkömmliche Bankkredite. Es wird keine Cap Table dadurch verändert und ist nicht sehr zeitaufwändig.
- Micro-Darlehen: Hierbei handelt es sich um kleine Darlehen in Höhe von 500 bis 50.000 US-Dollar, die in der Regel von gemeinnützigen Organisationen oder staatlichen Stellen vergeben werden.
- Zuschüsse & Fördermittel/Grants: Es gibt verschiedene Zuschüsse von staatlichen Stellen und privaten Organisationen, die Finanzmittel für Start-ups in bestimmten Branchen oder für bestimmte Zwecke bereitstellen. Dies ist zeitaufwändig, aber die billigste Art, Unternehmen zu finanzieren, da diese meist nicht zurückbezahlt werden müssen.
- Finanzierung von Ausrüstung/Equipment Financing: Hierbei handelt es sich um eine Art von Darlehen, das speziell für den Kauf von Ausrüstungen gewährt wird.
- Umsatzabhängige Finanzierung/Revenue-Based Financing: Hierbei handelt es sich um eine spezielle Art der Finanzierung, bei der Investoren Finanzmittel dynamisch für einen gewissen Prozentsatz der künftigen Einnahmen des Start-ups bereitstellen.
- Finanzierung auf Bestellung/Purchase Order Financing: Hierbei handelt es sich um eine Finanzierungsform, bei der ein Kreditgeber dem Unternehmen Finanzmittel zur Verfügung stellt, um deren laufenden Kundenbestellung vorzufinanzieren.
- Factoring/Invoice Financing: Hierbei werden unbezahlte Rechnungen an einen Kreditgeber verkauft, um sofort Bargeld zu erhalten. Sehr häufig bei Start-ups in der Wachstumsphase.
- Friends & Family: Hierbei wird Geld von Freunden oder Familienmitgliedern geliehen, die an das Potenzial des Start-ups oder besser gesagt an die Gründer:innen glauben. In der Scale-Up-Phase ist dies sicherlich eine der besten und einfachsten Möglichkeiten. Diese Personen glauben an die Unternehmer und deren Idee und bereits eine lange Beziehung zu ihnen aufgebaut haben. Aber diese Beziehungen kann leicht verbrannt werden, wenn die Unternehmer mit ihrem Unternehmen nicht erfolgreich sind.
- Business Incubators und Accelerators: Dies sind Organisationen, die Unterstützung und Ressourcen für Start-ups bereitstellen, einschließlich Finanzierung, Mentoring und Vernetzungsmöglichkeiten. Einige sind kostenlos, insbesondere wenn sie von staatlicher Seite initiiert wurden. Einige nehmen bis zu 3 % an Unternehmensanteilen beim ersten Exit.
- Strategische Partnerschaften: Hierbei handelt es sich um Partnerschaften mit etablierten Unternehmen, die meist in der gleichen Branche tätig sind, um Ressourcen gemeinsam zu nutzen und Kosten zu senken. Große Unternehmen sind oft auf Innovation und Schnelligkeit angewiesen, und Start-Ups können ihnen mit ihrer Dynamik und Innovation helfen.
- Pre-Sales: In dieser Finanzierungsform werden Produkte und/oder Dienstleistungen verkauft, bevor sie tatsächlich produziert werden, um das Start-up vorzufinanzieren.
- Lizenzgebühr-Finanzierung/Royalty Financing: Hierbei wird ein Prozentsatz des künftigen Umsatzes eines Start-ups an Investoren verkauft, um eine Finanzierung zu erhalten.
- Bootstrapping: Hierbei handelt es sich um die Gründung und den laufenden Betrieb eines Unternehmens aus eigenen Mitteln mit wenig oder gar keiner externen Finanzierung. Dabei werden in den meisten Fällen persönliche Ersparnisse oder andere persönliche Vermögenswerte zur Finanzierung des Start-ups eingesetzt. Sicherlich die beste Strategie, wenn Gründer:innen Eigentümer:innen ihres Unternehmens bleiben wollen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es für Start-up viele Finanzierungsmöglichkeiten gibt. Seien Sie offen für Alternativen neben Venture Capital und scheuen Sie sich nicht, den Rat von Unternehmensberatern, Mentoren und Business Angels einzuholen. Mit der richtigen Finanzierung und Unterstützung kann Ihr Start-up florieren und sich zu einem erfolgreichen Unternehmen entwickeln. Am Beispiel von Contentserv habe ich das bewiesen und viele meiner Start-Ups folgen diesem Beispiel.
Mein Rat
Als Aufsichtsrat, Beirätin und Business Angel habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich schon nach wenigen Brainstorming-Sitzungen mit meinen Start-ups viel bessere Finanzierungsmöglichkeiten ergeben als Venture Capital und Privat Equity. Daher empfehle ich, sich die Zeit zu nehmen, um alle verfügbaren Optionen sorgfältig und wohlüberlegt zu prüfen, denn die Entscheidung wird sowohl für Sie als auch für Ihr Unternehmen erhebliche Auswirkungen haben.
Ich freue mich auf den Kontakt mit Ihnen: https://patriciakastner.com/kontakt/